Die Wiener Küche ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Weltweit gibt es keine andere Küche von Bedeutung, die nach einer Hauptstadt benannt ist. Sie ist eine Fusionsküche, die von den unterschiedlichsten Ländern und Ethnien über die Jahrhunderte hinweg befruchtet wurde. Charakteristisch ist, dass es „die Wiener Küche“ im strengen Sinne eigentlich nicht gibt. Vielmehr könnte man sie als ein äußerst belebendes, babylonisches Speisengewirr beschreiben. Ein kurzer Blick auf die Speisekarte der klassischen Wiener Wirtshäuser und Restaurants genügt, um zu erkennen, dass die hier kredenzten Köstlichkeiten den verschiedenen Herrschaftsgebieten der Habsburgermonarchie entstammen oder gar jenseits dieser Grenzen liegen. Böhmische Dienstmädchen, deutsche Dissidenten und ungarische Barone, italienische Arbeiter, orientalische Händler und jüdische Migranten – sie alle haben der Wiener Küche ihre kulinarische Unverwechselbarkeit und Einzigartigkeit verliehen.
Politik, Pomp und Palatschinken – Der kulinarische Kongress
Die Kunde von Wien als kulinarischer Metropole verbreitete sich allerdings erst nach dem Wiener Kongress im Jahre 1815. Nach der Niederlage Napoleons in den Koalitionskriegen berieten hier Vertreter aus rund 200 europäischen Nationen unter der Leitung des österreichischen Außenministers Fürst von Metternich – von dem wir kulinarisch noch kurz hören werden – über die Neuordnung des Kontinents. Fast neun Monate lang tagte der Kongress. Und es wurden keine Kosten und Mühen gescheut, die Delegierten fürstlich zu bewirten und zu unterhalten. Die Legende, dass Talleyrand-Périgord, der französische Vertreter beim Wiener Kongress und ausgewiesener Feinschmecker, von Antonin Carême, dem berühmtesten Koch seiner Zeit, begleitet wurde, wird noch heute immer wieder aufgetischt. Historisch gesichert ist zumindest, dass der gefräßige Franzose vor seiner Abreise an König Ludwig XVIII. schrieb: „Herr, ich brauche Töpfe mehr als schriftliche Anweisungen.“
Im Palais Kaunitz, in dem die französische Fastenbrigade stationiert war, feierte der „Kongress“ prachtvolle Bankette. Hier wurde die Gastronomie in den Dienst der Diplomatie gestellt. Als Bonmot überliefert ist der Satz des aus Flandern stammenden Fürsten de Ligne: „Der Kongress geht nicht vorwärts, er tanzt.“ Jeden Abend wurden in der Hofburg 40 bis 50 Tische mit Spezialitäten beladen. Die Bewirtungsliste eines Balls ist uns erhalten. Serviert wurden: 2.500 bis 3.000 Liter Suppe, 300 Stück Schinken, 200 Rebhühner, 200 Tauben, 150 Fasane, 100 Hasen, 3.500 Kekse, 60 Gugelhupf und mehrere Dutzend Sorten Wein. Man könnte den Wiener Kongress aus kulinarischer Sicht auch als eine Abfolge von Gelagen und Festmählern bezeichnen, bei dem der Ruf Wiens als Genusshochburg für alle Zeit in das kollektive Gedächtnis des Kontinents gekocht wurde. Und noch heute gilt die Perle an der Donau als ein kulinarisches Zentrum im Herzen des alten Europa.
Die Anzahl der Köstlichkeiten, die man in Wien probieren müsste, ist genauso Legion wie die Schattierungen des Wiener Schmähs. Und auch wenn das Budget der Schüler während einer Klassenfahrt nach Wien meist keine ausgiebigen Restaurantbesuche erlaubt, wenigstens einmal sollte man die klassische Wiener Küche gekostet haben.
Was isst man in Wien?
Natürlich zuvorderst das Wiener Schnitzel, das auch international in aller Munde ist. Gewissermaßen das Gold des österreichischen Gemüts – und eigentlich nur echt vom Kaiserteil des Kalbs. Es wird aber mittlerweile überall als Schweins-Wiener-Schnitzel angeboten und ist dadurch auch für den Schülergeldbeutel erschwinglich. Das Fleisch darf dabei nur sehr behutsam geklopft werden, damit die Zellstruktur erhalten und das Schnitzel saftig bleibt. Hernach wird es in Butterschmalz herausgebacken. Die goldgelbe Panier muss dabei schön soufflieren, also Blasen werfen.
Der Tafelspitz ist ein Gustostück vom gekochten Rind und der Inbegriff österreichischer Gaumenfreuden seit Kaiser Franz Joseph I. Im Laufe der Zeit hat sich dieses kulinarische Kleinod stetig weiterentwickelt und zu einem unverkennbaren Klassiker der Wiener Küche gemausert. In fingerdicke Scheiben geschnitten, gehört er zu den berühmtesten Spezialitäten Wiens. Traditionell wird der Tafelspitz mit Röstkartoffeln, Apfelkren und Schnittlauchsauce serviert.
Das Wiener Saftgulasch – auch beim Gulasch setzen Österreich und Ungarn die Maßstäbe. Zubereitet wird das köstliche Rindsragout mit viel sämiger Zwiebelsauce, edelsüßem Paprika und natürlich viel Saft. Serviert wird das Saft- oder Fiakergulasch traditionell mit Semmelknödeln.
Das Backhendl ist eine weitere Delikatesse, die fast auf jeder traditionellen Speisekarte in Wien zu finden ist. Die knusprige Panierung des Hühnerfleischs sorgt dafür, dass es saftig bleibt, und verleiht ihm eine unvergleichliche Geschmacksnote. Als Beilage gibt es meist Erdäpfel in verschiedenster Zubereitungsart – besonders beliebt ist der Backhendlsalat in Kombination mit Erdäpfel-Vogerlsalat und steirischem Kernöl.
Der Kaiserschmarrn, ein besonders feiner „Schmarrn“, gilt als eine der legendärsten Süßspeisen Wiens. Der Legende nach wurde er bei einem Jagdausflug von Kaiser Franz Joseph erfunden. Der beste Kaiserschmarrn ist außen knusprig, innen recht fluffig und wird mit Zwetschkenröster oder Apfelmus serviert.
Der Apfelstrudel ist ein wahrhaft traditionelles Wiener Gebäck, die Vorzeigemehlspeise der Wiener Küche schlechthin. Basierend auf dem Gericht „Baklava“ fand der Apfelstrudel seinen Weg aus dem Osmanischen Reich ins damalige Österreich-Ungarn. Apfelstrudel besteht aus Teig, Apfelscheiben (am besten die Sorte Kronprinz Rudolf!) und Rosinen und wird traditionell mit Schlagsahne, Eis und warmer Vanillesauce serviert. Um das Mehl dieser Materie wirklich zu durchdringen, kann man in Wien sogar ein Strudelseminar absolvieren.
Last but natürlich not least darf die Original Sachertorte in dieser Aufzählung nicht fehlen.
Die legendäre Sachertorte, eine Schokoladentorte aus Sachermasse mit Marillenmarmelade und Schokoladenglasur, gilt als DIE Spezialität der Wiener Kaffeehauskultur. Die Sachertorte gehört zu Wien wie das Riesenrad in den Prater. Die Entstehungsgeschichte des glasierten Gebäcks beginnt, als Fürst von Metternich seine Hofküche im Jahr 1832 beauftragt, ein besonderes Dessert für seine hochrangigen Gäste zu kreieren. „Dass er mir aber keine Schand’ macht, heut’ Abend!“ – Mit dieser Ermahnung von Metternich nahm der Siegeszug der Sachertorte seinen Anfang. Für den erkrankten Küchenchef musste nämlich der 16-jährige Kocheleve Franz Sacher einspringen. Und diesem gelang eine wahrhaft fürstliche Kreation, die köstlicher kaum sein könnte. Noch heute wird die Sachertorte nach dem Originalrezept von Franz Sacher von Hand in der Original Sacher-Torten-Manufaktur hergestellt. Schmeckt am besten mit einem Klecks ungesüßtem Schlagobers!
Wo isst man in Wien?
Bekannt für die üppigen Portionen ist der Schnitzelwirt mitten im 7. Bezirk. Eine Institution, die man von Tirol bis Bayern kennt und die auch in vielen asiatischen Reiseführern lobend erwähnt wird – weshalb sie von dieser Klientel geliebt und viel besucht wird. Schweineschnitzel gibt es hier bereits ab 7,00 €, Beilagen wie Preiselbeeren oder Pommes kosten allerdings extra. Außerdem sollte die Schulklasse auf die Stoßzeiten achten, da der Schnitzelwirt eine beliebte Anlaufstelle für Touristen ist. Eine Reservierung empfiehlt sich.
Das Gasthaus Kopp im 20. Wiener Gemeindebezirk, Brigittenau, ist ein echter Geheimtipp. Das Schweineschnitzel hier ist legendär würzig und besonders saftig. Außerdem ist der Preis unschlagbar: Für etwa 10,00 € gibt es noch einen Erdäpfelsalat dazu. Dazu kommen viele Wiener Klassiker, vom Tafelspitz über das Gulasch bis zum Apfel- oder Topfenstrudel. Das alles für deutlich unter 15,00 €.
Schulklassen, die auf einem Schnitzel vom Kalb bestehen, sei zu einem Besuch im Alten Fassl im fünften Bezirk geraten. Atmosphärisch bewegen wir uns hier im Bereich „Beisl-Charme“, im Sommer öffnet zusätzlich ein wunderschöner Gastgarten. Das Kalbschnitzel ist unschlagbar lecker und mit Salat zu einem wirklich fairen Preis von, man muss es mittlerweile leider so sagen, um die 20,00 €. Dafür gibt es hier den Backhendlsalat mit Erdäpfel-Vogerlsalat und Kernöl für unter 15,00 € und den klassischen Tafelspitz mit allen Beilagen für unter 20,00 €.
Der Gmoakeller gilt als Institution der Wiener Beislkultur und wird für Klassiker wie Gulasch oder Schnitzel geschätzt. Auch der Topfenschmarrn mit Zwetschgenröster kann sich schmecken lassen. Kulinarischen Schnickschnack überlässt man der City. Neben dem Konzerthaus ist das „Altwiener Rezeptbuch“ die Bibel. Seit 1858 wird im Haus am Heumarkt getrunken und gegessen. Mit 150 Sitzplätzen im Lokal, 70 Plätzen im schattigen Gastgarten und 80 Plätzen im neu ausgebauten Keller – reservieren sollte die Schulklasse trotzdem.
„Zu den 3 Hacken“ – Dieses Gasthaus ist eines der ältesten und authentischsten Wirtshäuser in der Innenstadt. Schon beim Eintritt spiegelt die Fassade alte Wiener Wirtshauskultur wider. Urige Stuben, sympathischer Schmäh im Service und Wirtshausklassiker in stattlichen Portionen – man muss diese Wirtshauslegende einfach lieben. Original Wiener Schnitzel vom Kalb mit Erdäpfel-Vogerlsalat und Tafelspitz vom Weiderind mit Wurzelgemüse und „G’röstl“ gibt es hier für um die 20,00 €. Die ganze Palette der Süßspeisen, vom Palatschinken bis zum karamellisierten Kaiserschmarrn, ist für unter 10,00 € zu bekommen.
Im Landsknecht im 9. Wiener Gemeindebezirk, Alsergrund, gibt es – und das schon seit Jahren – den besten Tafelspitz in ganz Wien. Auch der dazu servierte Spinat, die Schnittlauchsoße und der Apfelkren sind einfach ein Gedicht! Der Tafelspitz und Rindsgulasch mit Serviettenknödel sind hier für um die 20,00 € zu bekommen. Das Wiener Schnitzel vom Schwein für unter 15,00 €. Besonders günstig sind die Dessert-Klassiker: Palatschinken, Schmarrn und Apfelstrudel – alles für um die 5,00 €. Ein Klassenausflug nach Wien ohne einen Tafelspitz im Landsknecht gegessen zu haben, geht fast nicht. Für Reisegruppen und Schulklassen stehen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung. Reservieren muss man trotzdem.
Tipp aus der Community – die Mensa des Afro-Asiatischen Instituts
Die Mensa liegt ein wenig versteckt in der Nähe der Hauptuni in der Türkenstraße. Donnerstags ist hier immer Schnitzeltag, da bekommt die Schulklasse ein großes Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat für deutlich unter 10,00 € und kann während der Klassenfahrt nach Wien gleich mal ein wenig Uni-Luft schnuppern.
Gut und äußerst interessant isst man auch auf dem Naschmarkt. In den sich munter vermehrenden Imbissbuden auf und rund um den Naschmarkt geht es wahrhaft wienerisch-multiethnisch zu. Neben den allgegenwärtigen Klassikern bekommt man hier wirklich internationale Küche.
Und die legendäre Sachertorte? Wer der Spezialität der Wiener Kaffeehauskultur bis zu ihrem Ursprung folgen möchte, landet früher oder später im Café Sacher des gleichnamigen Hotels direkt bei der Wiener Staatsoper. Im wunderbaren Wiener Kaffeehaus-Ambiente ist jeder Besuch ein einzigartiges Erlebnis.
Direkt am Ring gelegen ist auch das Café Landtmann eine Institution des Kaffees und der Süßspeisen. Egal, ob Persönlichkeiten der Politik, echte Wiener Originale oder hungrige Schüler – in diesem Kaffeehaus schätzt jeder die einzigartige Qualität der Patisserie und Küche. Vor allem laden die großzügige Terrasse und der Gastgarten das bunte Publikum zum genussvollen Entspannen ein.
Kleines Kulinarik-Glossar
Damit einige der mitunter merkwürdig anmutenden, austriakischen Namen die Nicht-Österreicher unter den Schülern während der Klassenfahrt nach Wien nicht ratlos lassen, hier noch ein kleines Vokabular.
Zuerst einmal könnten die örtlichen Maßeinheiten für etwaige Getränkebestellungen, insbesondere für Abiturklassen auf Abschlussfahrt, von Interesse sein.
Bier bestellt man im:
- Krügerl – Halbliterglas
- Seidl – Drittelliter
- Pfiff – halbes Seidl
Wein wird traditionell im Achterl oder Vierterl beim Kellner oder „Schani“ geordert. In Wien wird übrigens mehr Wein als Bier getrunken. Wien ist die einzige Hauptstadt weltweit, in der Wein von internatinalem Format angebaut und gekeltert wird. Immerhin existiert mit Ottakringer aber noch eine große Traditionsbrauerei in Wien.
Auf Speisekarten häufig zu finden sind:
- Backhendl – Brathuhn
- Blaukraut – Rotkohl
- Erdäpfel – Kartoffeln
- Fisolen – grüne Bohnen
- Karfiol – Blumenkohl
- Kren – Meerrettich
- Kukuruz – Mais
- Marille – Aprikose
- Melanzani – Aubergine
- Obers/Schlagobers – Sahne/Schlagsahne
- Paradieser – Tomaten
- Ribisel – rote Johannisbeere
- Schwammerl – Pilze
- Topfen – Quark
- Vogerlsalat – Feldsalat
- Weichsel – Sauerkirsche
Abschließend lässt sich sagen, dass die Wiener Küche eine köstliche Reise durch die Geschichte und die Vielfalt der Kulturen bietet, die diese Stadt über Jahrhunderte hinweg geprägt haben. Wer Wien besucht, sollte sich nicht nur an den berühmten Gerichten erfreuen, sondern auch die Geschichte hinter jedem Bissen entdecken – eine Erinnerung daran, wie Essen und Kultur untrennbar miteinander verbunden sind.